Leere und Fülle

Was ihm wie Leere erschien, war doch in Wirklichkeit übermäßige Fülle. Nur wusste er nicht, wie er all das ausdrücken, malen, kochen, bauen oder verarbeiten konnte, was da aus ihm herauswollte. Und wenn er für das Ein oder Andere eine Art der Veredelung gefunden hatte und sich ans Werk machte, sammelte sich die ganze Pracht um ihn herum. Er und Alles was er tat, schien der Welt zuviel zu sein. So wie ihm sein Inneres zuviel war und ihm nichts Besseres einfiel, als noch mehr aufzunhemen, auf dass es das Hervor- und Herausquellende zurückdränge. Mit den Jahren schien dieses Prinzip auf all seine Lebensbereiche überzugreifen. Wenn ihm Alles zuviel wurde, suchte er sich noch eine Herausforderung mehr. Ob es nun seine Arbeitsstelle war, bei der er im Leid der Menschen, die ihn umgaben, fast ertrank und er immer mehr Verantwortungsbereiche übernehmen musste, weil die Kollegen krank waren. Ob es der Bücherschrank war, auf dem die Türme einzustürzen drohten, die Website, die vor Kurzgeschichten, Gedichten und Photos überquoll oder die gemalten Bilder, für die er im Nebenraum keinen Platz mehr fand; der übervolle Kleiderschrank, das sich ansammelnde Werkzeug für seine Hobbys - all das war nur ein Spiegelbild seiner inneren Fülle, die er nicht für sich gewinnbringend zu nutzen wusste. So wunderte ess ihn nicht, denn er erkannte durchaus die Zusammenhänge, dass er mit den Jahren emotional und geistig so zuwucherte, dass er sich selbst nur noch mit innerlicher Distanz ertrug. Ein Emotionsmessi! Dazu flüchtete er in die Leere oder eben in die Überforderung, die ihn wiederum in die Leere führte. Da er diese seine Zwickmühle erkannte, hielt er zwar immer wieder inne, doch hielt er diesen Zustand selten lange aus. Meist gelang ihm das Innehalten sowieso nur, wenn sein Körper ihn durch Krankheit oder Schmerzen dazu zwang und nur noch die Angst und das Warten auf Besserung Platz in seinem Bewusstsein hatte. In diesem Zustand erfuhr er oft so etwas wie Erleuchtung - oder was er dafür hielt, befreite es ihn doch kurzzeitig von allem Druck. Die darauf einsetzende Heilung war ihm dann leuchtender Beweis dieser Verblendung und die ganze Geschichte ging wieder einmal von ihm unbemerkt von vorne los. Bald drängte die seine und seine Umgebung überfordernde Fülle wieder nach aussen, die stimulierenden und fordernden Reize der Welt nach innen und der Teufelskreislauf begann erneut. 

 

Und nun, mit all seinem Wissen, all seiner Schläue und trotzdem Hilflosigkeit, weiß er nicht, was tun. Und ob überhaupt Tun angesagt ist. Werden es Träume sein, mit dem sein Unterbewusstsein ihn auf einen leichteren Weg lockt? Weiteres schmerzhaftes Nierensteingebären oder eine andere schwere Krankheit, mit der sein Körper ihn zwingt, den so schweren Weg zu verlassen? Was allerdings wieder in die gleiche Schleife führen könnte. Oder würdem ihn neue Begegnungen mit Menschen so beeindrucken, dass er dieses Muster verlassen kann?

 

Noch zeigt sich keine Lösung. Und er schwankt zwischen Aufgabe und Kampf, zwischen Angst und Hoffnung.

Wird er die Zeichen erkennen? Die nötigen Schritte tun, wie die unnötigen lassen. Oder wird es wieder einmal im schon bekannten Versagen münden?

 

Nun. Steine, das heißt vermiedene, konzentrierte und dadurch kritalisierte Schmerzen loslassen, verheißen somit eher Freiheit.

Und irgendwie ist er die letze Zeit auch über die ein oder andere Reaktion erstaunt, die früher eher weniger klar und deutlich bei jeweiligen Gegenüber ankam. 

Das scheint schonmal vielversprechend zu sein. Zumindest macht es neugierig. Und Neugier ist schon immer das Gefühl, was ihn die Welt mit Staunen und einem Gefühl von Weite und Leichtigkeit erleben lässt.

 

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