Ciba

 

 

 

Bäris- Ost, 7213 nach Antimat, 37. Trippelmond.

Loga Ryth Mikado, emeritierter Cyber-Archäologe reagenzeriert wie jeden Morgen seit 345 Jahren auf der fluoreszierenden Liege seines Stammzellenspenders. Eigentlich kein erwähnenswerter Vorgang, denn für beseelte Biomasse seines Standes ist das seit 127 Generationen Standart.
Kurz nach der Zerstörung des Erdtrabanten Mond durch raffgierige Nationalterroristen, damals Regierung genannt und willfährige Marionetten der Produktions- und Ausbeutungstrusts, fanden Forscher mittels einer noch heute unbegreiflichen analogischen Zufallsmethode die zukunftsträchtige Technik, welche trotz widrigster Umstände der Biomasse der Erde bis heute ein langes und würdiges Überleben sichert.
Loga Rhyth erinnert sich gerne daran, wenn er reagenziert. Solange die Quintillioncores gereinigt und die Sensoren mit neuer Schleimhaut überzogen werden, ist sein Bewusstsein leicht getrübt. Er muss sämtliche in den Hodenhirnarealen angelegten Triebkrafttransistoren aktivieren, um sich stark genug auf das richtige Pluszeichen auf seiner Netzhaut konzentrieren zu können.
Sonst landet er bei Peterchens Himmelfahrtskommando, dem Märchen, das ihm sein Brutkasten in seiner Zusatzfunktion als erziehungsberufener Gouvernator früher jeden Abend einspielte.
Heute jedoch steht der Trippeltrümmertrabant in ausnehmend guter Konstellation und Loga taucht mühelos in die Szene ein.
Cyllia Bageigi, die etwas füllige Tanzmaus legt sich gerade auf die Liege des damals hochmodernen Stereotomographen. Sie räkelt sich und die blendend weissen Zähne leuchten aus ihrer Komunikations- und Nahrungsaufnahmeöffnung. Gähnen nannte man das früher, wenn die Weltenzerstörer den immer weniger werdenden Sauerstoff der Atmosphäre gierig einsaugten. Die Zähne wandern langsam mitsamt der übrigen Biomasse, der damals üblichen Oberflächenabdeckung aus halbsynthetischen Stoffen und der Liege in die Röhre.
Das Regenerärzteteam will damit der Ursache der Schmerzen im knöchernen Halteapparat von Cyba auf die Spur kommen.
Loga oszilliert in freudiger Erwartung. Denn das, was nun kommt, erfüllt ihn jedes Mal aufs Neue mit Wellen der Begeisterung bis in die Tentakelspitzen.
Kurz nachdem der Oberkörper der jungen Frau in der Röhre verschwindet, blendet Loga ein greller Lichtblitz. Ciba schreit und röchelt und die Weisskittel rennen nach einer Schrecksekunde zum Stereotomographen, um sie herauszuziehen.
Was damals noch niemand wusste, doch heute zum Allgemeinwissen jeder beseelten Biomasse gehört: Die Tanzmaus hat unter ihrer Kleidung ein sogenanntes Fresspaket. Das aluminiumverpackte Pastfood nimmt keinen Schaden, doch mit dem Eintritt in die Röhre reagiert das Metall, der darin eingeschweisste Mikrochip mit den Fettzellen der Unterhaut Cibas unter dem Einfluss von wirbelnden Quarks und Quanten.
Ciba kommt mit dem Schrecken davon. Die leichten örtlichen Verbrennungen sind dank der aufgesprühten Medibots schnell verschwunden und es wird ein Termin für eine neuerliche Untersuchung abgemacht.

Dass ab diesem Tag Ciba bei jedem Gewinnspiel der Pastfoodkette den Hauptgewinn erzielt, weckt zuerst das Misstrauen der staatlichen Gewinnspiel- Überwachungsbehörde und danach das Interesse der Wissenschaft.
Bald schon entdecken die Forscher den so spektakulär selbstimplantierten Mikrochip. Versuche mit grösseren und schnelleren Chips folgen und die zur Verschmelzungen untauglichen Pastfoodbestandteile werden durch lebende Biomasse ersetzt.
Kurz darauf fahren die ersten Fahrzeuge mit integriertem Chauffeur durch die überfüllten Gassen der Innenstädte. Astronauten gehen mit Mikrosatelitten Gassi und Großrechner produzieren horrenede Rechnungen bei boomenden Pastfoodketten, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Piep .
Loga räckelt sich und twittert gutgelaunt nach seinem Transportgleiter. Heute wird er wieder einmal ganz ohne Cybernetz shoppen. Wenn die Fluidchips in seinen Tentakelspitzen so stark kribbeln, findet er immer etwas ganz besonders Interessantes auf dem Biosfair-Basar.
Er hat schon lange nichts mehr implementiert.