Ich fühle nicht. Ich weiß nur, was ich fühlen sollte. Mein Leben lang versuche ich schon, dies vor mir und der Welt zu verstecken. Ich spüre. Spüre, was von mir zu fühlen erwartet wird und habe diese Fähigkeit mit jedem Atemzug vervollkommnet. Sie sichert mein Überleben. Bis jetzt dachte ich, dass dies Fühlen sei. Ich dachte, dass ich mit der Steigerung meiner Sensibilität und der bestmöglichen Reaktion auf die Forderungen meiner Umwelt endlich glücklicher und freier würde. Welch tragischer Trugschluss! Welch perfides Eigentor!

Zwar habe ich so einen bunten Strauss von Möglichkeiten entwickelt, mich vor den meisten verletzenden Übergriffen zu schützen, mir damit aber die Möglichkeit verbaut, wirklichen und erfüllenden Kontakt zu meinen Mitwesen zu erleben. So blieb mir bisher nur das Wunder, mich immer wieder über die dankende Zurückweisung meiner ach so lieblichen Fleuropgrüsse an alle Welt zu wundern.

Nun erkenne ich zähneknirsched im Schlagschatten meiner Wehrhaftigkeit, dass auch noch der Viadukt meiner Lebenskraft an allen Ecken und Enden zu bröckeln beginnt. Es droht Überfluss.
Der Mörtel aus Freundlichkeit, Voraus- und Rücksicht rieselt aus allen Fugen. Meine Statik löst sich auf.

Ich ahne, dass ich ohne wirklichen Kontakt, ohne nährende Nähe immer öfter auf dem Zahnfleisch kriechen werde. Das Leben zieht mir sonst die restlichen Zähne und mein Biss geht verloren. Selbst die ausgefeilteste Prothese kann die Brocken, die ich mir selbst hinwerfe, nicht mehr bekömmlich genug machen. Es braucht nun keine aufblitzenden Wolframstrahler mehr, um zu bemerken, dass ich mir da keine wohlschmeckende Suppe eingebrockt habe. Kein Wunder, dass ich sie nur widerwillig auslöffle und der Kloß im Hals sich immer schlechter schlucken lässt.

Ganz ehrlich: Mir ist zum Kotzen!

Nebenbei schlottern mir die Knie, denn ich weiß, dass auch noch so geniale henochische Gedankengänge mich nicht mehr davon befreien werden, selbst meine rostige Rüstung abzulegen.
Jetzt!
Solange mein Fingerspitzengefühl noch die Verbindungen und die allzufesten Schrauben findet und lösen kann. Zum Glück ist bei mir ein Großteil schon immer locker. Ich bin gespannt, was sich hinter dem Panzer für ein Wesen zeigt. Ob es mir die lebenslange Einzelhaft verzeiht?
Und ob man Haftcreme dazu verwenden kann, lockere Schrauben zu sichern?