Flügelhörner


 

 

Egon von Rasselbock sitzt mit Elvira Elwetritsche im Cafe Le Nautic in Bandol. Er ist gerade überaus schlecht gelaunt. Hat ihm sein Rauschgoldengel doch eben gestanden, dass sie ihn vergangene Nacht mit Jean betrogen hat. Nicht dass ihn das Gehörntsein an sich ärgert. Nein - einen Von Rasselbock kratzen Seitensprünge nicht wirklich! Geben sie ihm doch die Möglichkeit, sich seinen unzähligen Hobbys und einträglichen Geschäften zu widmen, ohne Gefahr zu laufen, dass eine seiner Geliebten sich vernachlässigt fühlen muss. Was ihn an den Eskapaden Elviras aber geraume Zeit stört, ist die offensichtliche Veränderung, die er schon eine ganze Weile an ihr bemerkt.
War sie früher morgens so stürmisch und launisch wie der Mistral gewesen und hatte ihn beim gemeinsamen Frühstück in der Bar soviel windige Ideen in die abstehenden Ohren geblasen, so temperamentvoll gestikulierend, dass sogar die Tauben davonstoben, so kauert sie nun still in ihrem knarrenden Korbstuhl, knabbert lustlos an ihrem Croissant und seufzt unentwegt. Fehlte nur noch, dass sie nachher im Pilgerschritt Richtung heilige Trinidadkapelle schlurft, um dort mit Krokodilstränen zu beichten, dass sie seit der Nacht mit Bärlauch-Silvio glaube, die Lieblingsscheide von JackTheRipper zu sein. Seit dieser Nacht nämlich hängen ihre Flügel wie verdreckte Putzlappen an ihr herunter und sie verbreitet eine Atmosphäre von Lethargie und Düsternis, die jeden in ihrer Nähe so runterzieht, als hätte Belzebub gerade persönlich die Zeppelinbremse gezogen und aus ihrem Tank sämtliche Lebensfreude abgelassen. Sogar ihre sonst so prallen Brüste wirken schlaffer und die Nippel schauen traurig gen schmutzige Marmorplatten und Schirmständer! Ein Wunder, dass der bei dem Blick stehenbleibt. Ihn macht es jedenfalls von Tag zu Tag niedergeschlagener.
Egon fröstelt. Irgendetwas muss er tun. So ganz ohne Swing darf Elvira nicht bleiben. Nicht neben ihm. Nur was?
Jean, das alte Hanghuhn würde ihr auf keinen Fall neuen Glanz in die trüben Lichter zaubern. Vielleicht sollte er sie eine Eile auf die Antillen schicken? Koralli und Hailass betreiben dort eine Surfschule. Die Beiden haben soviel Pfeffer unterm Arsch, Herzen, größer als Zalandos Schuhlager und mindestens so offen wie alle Internetportale zusammen. Und Arbeit. Arbeit an frischer Seeluft tagsüber. Arbeit zwischen flackernden Kerzen und blinkenden Sternen des Nachts in der Bar. Dort könnten Elviras Seelen- und Brustmuskeln bald den richtigen Rythmus zwischen Spannung und Ruhe finden. Ihre Flügel könnten sich strecken und dem unermüdlichen Plappermäulchen Luft zufächeln, wenn das Temperament und die Ideen wieder zu sprudeln beginnen.
" Egon? Bist Du noch hier? Warum sagst Du denn nichts? Mir tut die Sache mit Jean ja leid! Bitte sei nicht mehr böse."
Egon lächelt. Ja! Dort wird sich sein Häschen erholen. Der Elwetrittschall wird ihm zwar fehlen, doch so gedämpft wie die letzten Wochen brachten sie seine Ohren sowieso nicht mehr zum Klingeln. Solange sie wegbleibt, wird er sich wohl einen Wecker stellen müssen.
"Elvy, Liebste. Alles okay! Die letzte Nacht ist schon vergessen. Zumindest, wenn Du jetzt brav nach Hause gehst und ein paar Sachen packst. In.zwei Stunden hole ich dich ab. Hopp, hopp - schwing die Hufe und nimm diesmal ausnahmsweise deinen Reisepass mit!"
Elvira schiebt ihre Unterlippe vor, scheint etwas sagen zu wollen. Doch nickt dann ergeben, nimmt ihre Tasche und geht.
Egon schaut noch kurz dem Abbau des Wochenmarkts nebenan zu; wundert sich, wie schnell Obst und Gemüsekisten samt Stand im Kleinlaster verschwinden. Wie der Mistral und hoffentlich Elviras Depression. Dann legt er einen Schein unter den Aschenbecher, verabschiedet sich von Luc, dem Kellner und lenkt seine Schritte Richtung Reisebüro.
"Egon, mein suverlässigster Lieblinskunde," wird Julia dort lispeln, einen Moment ihre Lippen kräuseln, den berüchtigten Sphynxblick aufsetzen, der ihr Stupsnäschen so schön zur Geltung bringt. " Wer die Frauen liebt wie Du, braucht wirkliss keine anderen Pointen mehr im Leben! N' est pas?"