Der Heinzelmännchen Fluch

Grafitti in Bratislava
Grafitti in Bratislava

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wieder einmal wachte der Schneider zu Kölle des Nachts um vier Uhr beim Geläute der Domglocken auf, spähte in sein Atelier und alle Aufträge der kommenden Woche waren schon fast picobello fertig genäht. Manche sogar schon gebügelt. Gähnend stand er in der Türe seiner Werkstatt und verharrte dort minutenlang. Wenn seine Beinmuskeln einen Befehl bekämen, führten sie ihn sofort aus. Doch da kam Nichts. Kein Befehl keine Bitte, kein leisester Impuls. Es war, als ob Scham oder Schmerz ihn von einer Sekunde zur anderen lahmgelegt hätten. Batterien leer.

Doch das war es nicht. Seine Batterien waren randvoll. Seit Monaten. Denn seit Monaten brauchte er keinen Strich und keinen Stich mehr zu tun in seiner Schneiderei.

Schuld daran waren diese Heinzelmännchen. Sie schnitten und nähten und bügelten die ganze Nacht hindurch. Warum sie das taten, wusste er nicht. Wenn er fragte, schauten sie nicht einmal auf, sie stachen einfach weiter mit der Nadel in das Gewebe und taten so, als sei er gar nicht da.

Bodenlose Langeweile beherrschte nun seine Tage. Das Einzige, was ihm zu tun übrig blieb, war das Annehmen der Aufträge und das Einkaufen der Stoffbahnen und Knöpfe, Zwirn und Futter.

Doch das war schnell erledigt und danach blieb ihm nur das Vortäuschen wichtiger Außentermine, um nicht von seiner geschwätzigen Frau zum Kartoffelschälen gerufen zu werden. Es war ein Elend. Er, der er mit einer Engelsgeduld bis spät in die Nacht geduldig Stich für Stich an einem Hochzeitskleide für den Nächsten Tag sitzen konnte , der seinen Beruf schon immer mit Hingabe und Liebe ausführte, verwandelte sich langsam in ein Nichts.

Anfangs schien es die Erfüllung aller Wunschträume, die Verheißung von Reichtum und Wohlleben zu versprechen. Die kleinen Helfer brauchten nichts , außer ihre Ruhe und Material, damit sie die bestellten Kleider aufs sorgfältigste anfertigten. Sie wollten keinen Lohn, keine Nahrung. Er musste sie nicht wie vormals seine nicht immer fleißigen Gesellen und Lehrbuben mit Zuckerbrot und Peitsche antreiben. Es schien das Paradies.

Wie gesagt, die ersten Tage, doch dann wurden sie täglich mehr zur Plage. Zumindest für ihn. Denn seine Frau hatte für seine neuerlichen Gemütsschwankungen kein Verständnis und träumte schon von einem größeren und komfortableren Haus in vornehmerer Gegend.

 

Als endlich der Befehl kam, waren es nicht die Beine, es waren Zeigefinger und Daumen der rechten Hand, die sich um das Rädchen legten und die Flamme so schnell höher drehten, dass er es sich nicht mehr anders überlegen konnte.

Wenn jetzt noch seine Frau ihre schamlose Drohung wahr machte und mit dem Stoffhändler durchbrannte, könnte er Ludmilla, die Magd... . In diesem Falle wäre er schon Morgen wieder ein ganz neuer Mensch!