Sein Spitzname ist Kran. Kran Debilo.
"Mann über Bord!"
Endlos hallt dieser Ruf immer und immer wieder durch seine Träume. Seit Jahren. Er kann diese Situation einfach nicht aus seiner Erinnerung streichen. Egal wie viel Meditation er noch ausüben und wie viel Medikamente er nehmen wird. Deshalb ist er zu nicht mehr viel zu gebrauchen. Ob nun körperlich oder mental. Das Band seiner Gedanken reißt nach spätestens zehn Minuten. Was eben noch ganz klar und logisch war, erlischt wie eine Kerze im Wind.
Früher nannten sie ihn nur Kran, weil er all seine Freunde und Bekannten geistig um Längen überragte und auf architektonisch in schwindelnde Höhen wachsende Gedankengebilde sogar noch fantastische Wolkenkuckucksheime setzen konnte. Doch dann stürzte er wegen dieses Unglücks auf der Kreuzfahrt ab. Jene Kreuzfahrt, bei dem die Tochter seines Kabinennachbars direkt neben ihm unverhofft und blitzgeschwind über die Reling geklettert und direkt ins brodelnde Kielwasser gesprungen war.
Das Schlimmste daran ist nicht etwa der Tod. Oder dass er sie nicht davon abgehalten hatte.
Nein.
Das Schlimmste daran ist noch heute, dass er gerade noch mit ihr gelacht und ihr für ihre sagenhafte, sprühende Energie gedankt hatte. Die gute Laune, mit dem sie ihn bei jeder vorherigen Begegnung angesteckt hatte. Er verstand es damals und versteht es heute immer noch nicht.
Und - was ihn eben auch nicht loslässt: Dieses dämliche: " Mann über Bord!", obwohl sie eine Frau war. Und eben, dass diese bescheuerte Formulierung das Einzige ist, was ihm seither jeden Tag in Gedanken und des nachts in seinen Träumen beschäftigt. Einzig an ihrem Grabstein, an den jede Woche einen Veilchenstrauß legt, findet er etwas Seelenruhe. Denn dort sieht er das freudige Lächeln, das er zwei Tage vor dem Unglück sehen konnte, als ihr ein gleichaltriger Verehrer unverhofft einen Strauß dieser Blumen geschenkt hatte.
Für das Debilo ist er übrigens selbst verantwortlich. Das hat er so lange selbst hinter seine Spitznamen gehängt, bis es seine Freunde letztendlich übernommen haben.