Phralen


Phralen blieb nicht in Ostwestphalen. Obwohl Sintidrache, lag ihm nichts an Sintern und mit lodernder Flamme prahlen, auch wollte er sich nicht wie seine Brüder und Schwestern in Rumänien als Schweissroboter bei Vlad Motors verdingen. Nein, Drako Phralen war von anderem, von altem und heissem Geblüt. Seit er die Nibelungen überlebt hatte, wollte er einfach nur genusswandern, frohgemut von Vulkan zu Vulkan, von Hochofen zu Hochofen flattern, lüstern seine Nüstern in deren Kamine stecken und mit seinen funkelnden Iriden vor den höchsten Wolkenbergen die leuchtendsten Regenbögen zaubern. Wozu an einem Ort bleiben, wo heute die vermeintlich grössten Schätze der Welt sich erfolgreich hinter langen Zahlenkolonnen versteckten und mittels glühenden Mikrochips in Millionstelsekunden von einer Ecke des Planeten zur nächsten flüchteten. Wozu mit flachbrüstigen Börsenrittern und furztrockenen Paragraphenreitern kämpfen, deren Laserschwerter nur hilflos hinter Glasscheiben blendeten und die er jederzeit mit einem leichten Schnauben in die ewigen Jagdgründe schicken könnte? Seine Schwester Phrala hatte zwar einen Job. Sie bewachte die Goldreserven in Fort Knox. Doch wegen der Trockenheit in den Betonhöhlen sind ihre Flügel schon ganz rissig und spröde. Sie traut sich kaum noch, ihre Nüstern zu blähen, aus Angst sich die Schwingen abzufackeln. Obwohl dort alle halbe Meter ein Feuerlöscher hängt und beim leisesten Hauch eines Rauchwölkchens die Sprinkleranlage anspringt.
Nein das ist kein würdiges und erstrebenswertes Drachenleben, wenn man ihn fragte. Eher sowas wie Safersex mit Papierdrachen. Da könnte er sich gleich in einem Atommülllager einsargen lassen. Schon bei der Vorstellung zog sich die Glut aus seinem Rachen tief in die Eingeweide zurück. Ein tiefes Grollen von dort liess ihn angewidert schnauben. Nur jetzt keinen Drachenfurz. Das letzte Mal waren innerhalb von von Minuten drei kurzflüglige Blechdrachen der Zweibeiner auf ihn zugeflogen und hatten ihn zur Landung zwingen wollen. Zum Glück hatte er sich geistesgegenwärtig zusammengerollt, einen Feuerball um sich herumgelegt und war als vermeintlicher Komet über Russland entkommen.
So beschloss Pralen, seiner inneren Stimme zu folgen und flog erst einmal zur Katla am Mýrdalsjökull. Sollte der noch eine Weile brauchen, bis er wieder einmal ausbricht, könnte er solange etwas Geysirslalom fliegen und so ganz nebenbei etwas Flügelpflege betreiben. Freiheit ist schliesslich für einen Drachen immer noch das Wichtigste!