Fischreich

 

Cello Anaboli kaute mißmutig auf dem Dotter des Feuervogeleis herum. Sie hatten wieder mit Dynamit gefischt. Obwohl er es strengstens verboten hatte "Oh, dieser Geschmack, diese Banausen mit den Geschmacksnerven von Gnufischen!". Er spuckte das grässliche Zeug in die Schabenecke,wo die zierlichen Tierchen sofort über den Fraß herfielen.

" Habitus!" Sein Ruf erscholl wütend durch die Halle, brach sich tausendfach in den Gängen und kehrte gleichzeitig mit seinem Butler als Echo zu ihm zurück.

Als der erste Bückling des Oberschellfisches von Oz Eanien mit fragendem Blick vor seinem Gebieter schwamm, erhielt er erst einmal drei Flossenschläge, wirbelte darob viermal um seine Achse und stand dann zitternd wie Algenwedel vor seinem Herrn.

"Sag Knurrhahn, dass ich ihn das nächste Mal den Haien vorwerfen lasse, wenn er es noch einmal wagt, meine Gischtfelsen mit diesem Menschenstoff zu traktieren! Wenn er seine Pelikane nicht besser in den Griff bekommt, dass sie mir makellose Nahrung besorgen, werden nicht einmal mehr seine Schuppen die Tentakel der Großen Krake erreichen. Bei der heiligen Harpune nochmal, bin ich denn hier nur von Stockfischen umgeben! Bring mir nun meinen Schwimmring! Ich will mich zum Ausgleich etwas mit meinen Barakudaweibchen vergnügen. Heute sind die Verhandlungen mit den Abgesandten der Muschelbänke. Da muss ich meine Flossen unter Kontrolle haben, sonst droht uns Torpedo Lurch mit der Kündigung sämtlicher Fangraten. Also mach dich flüssig. Mehr als zehn Wellen werde ich nicht warten. So langsam ist meine Geduld mit unfähigem Personal am Ende!"

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Saitenflossen

 

Wie ein Feuervogel stieß der Seeadler in vollendetem Habitus in die Tiefe

Eben noch schwamm der mächtige Sudokufisch mit trägen Flossenschlägen unter der glitzernden Oberfläche des Teichs, als ob er Buße tun müsse für die allmorgendlichen eiweißschwangeren Gaben des Haus- und Teichherren. Wurde er doch genauso überreichlich gemästet, wie die anabolikasüchtigen Muskelpakete seines Wohltäters.

Als ihn die Krallen des Raubvogels aus Wasser und Leben rissen, seine Schwanzflosse sich so verzweifelt wie vergeblich gegen den bevorstehenden Höhenflug wehrte, ahnte er nicht,, welch göttliches Schauspiel sich dem zufälligen Beobachter am offenen Fenster des Nachbarhauses bot.

 

Zu den Klängen des Cellos von Anabolikas Tochter, verschwand der Vogelblitz beim Auftreffen auf den eben noch so ruhigen Wasserspiegel kurz in in heftig aufwallender Gischt. Wie von einer Stange Dynamit der Schwerkraft entrissen, stoben Myriarden kleinster Wassertröpfchen erschreckt auseinander, glitzernd dem Himmel entgegen und wurden einen Augenblick später von wuchtigen Flügelschlägen wieder in ihr Element zurückgestoßen. Kurz darauf schwebte der in allen Regenbogenfarben schillernde Fischleib wie ein Zeppelin unter rauschenden Schwingen der Morgensonne entgegen.

Wenige Sekunden danach spiegelten sich die Blätter des Ahorns wieder im Teich, als ob nichts geschehen wäre. Nur die Augen des Nachbarn und die wehmütigen Töne des Streichinstruments schwebten noch in der Luft, als suchten sie, immer noch ungläubig, nach etwas, das ihnen hülfe, den Riss zwischen Tod und Schönheit wieder zu schließen.

 

Erst Stunden später sprang der Fleck aus getrockntem Eigelb auf der Hose dem Mann ins Auge. Dieses Frühstück würde er sein Leben lang nicht mehr vergessen.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Adventnebel

 

Früher gab es Herbstnebel und Frühjahrsnebel, Morgennebel und Abendnebel. Sie wussten voneinander, doch sie kannten sich nicht wirklich. Nur selten begegneten sie sich einmal, wenn der Eine zu früh erwachte, der Andere zu spät schlafen ging und zum Recken und Strecken auf die Morgenwiese floss. Manchmal kam es auch zu einer der seltenen Begegnungen im Januar, wenn Mütterchen Frost im lauen Wind des Alpenföns ein Nickerchen machte. Dann konnten sich im Zwielicht zwischen Hasenfraß und Hahnenschrei ein paar vorwitzige Nebelfetzen um die Ecken der Dorfkneipe schleichen oder den Dohlen am Kirchturm die Landeplätze verstecken.

Die von den hektischen Zweibeinern erzeugten Stink- und Dröhnnebel störten zum Glück nur kurz. Zumindest jene, welche aus Wasserdampf bestanden. Außer denen, die rund um Betoneier und Nebelrüssel herumlungerten. Diese jedoch rochen nicht aber nahmen Platz. Sie waren langweilig und hochnäsig und blieben immer am gleichen Ort. Ausserdem weigerten sie sich standhaft mit anderen Fetzen und Bäuschen zu spielen.

Adventsnebel gab es nur in den Sagen der Ältesten und kein anständiger Morgennebel verschwendete bei seinem Tagwerk einen Gedanken daran. Bis.

 

Ja, bis eines Tages der Hochnebel den Bodennebel mit Hochdruck durch die Täler der Häuserschluchten vor sich her trieb, in denen die Zweibeiner des Nachts seltsame Geräusche machten. Geräusche, die entweder so klangen, als ob sie sich gegenseitig mit tausend Messern meucheln oder aber Hunderte von Ster Feuerholz sägten.

Hochi und Bodi, so wollen wir die Beiden wegs der Lesbarkeit dieser Zeilen von nun an nennen, jagten sich also gegenseitig um die Häuserecken. Schlupften ab und an unter schweren Vorhängen durch offen gelassene Balkontüren und leckten gierig die aufsteigende Wärme, der lufthungrige Füße ein Schlupfloch zwischen Leintuch und Federbett geschaffen hatten. Manchmal stieß auch eine grelle Autohupe zwischen ihnen hinauf bis zu den Stinkenebelkaminen und bewog eine der Tauben am Dachtrauf, einen Blick in die Tiefe zu riskieren. Alles schien wie immer. Nur noch wenige Minuten und die Sonne würde über den Hochhäusern auftauchen und rundum die Glaswände mit flüssigem Gold übergießen.

Bodi wollte sich gerade wieder nach unten verziehen, da mittlerweile die Menschen aufgestanden waren und alle Fenster geschlossen hatten, da kam Hochi ungestüm um die Ecke gestochen und prallte mit solcher Wucht gegen ihn, dass er grob an die nächste Fensterfront gestoßen wurde. Der Zufall und eine zu nahe Kerze wollten es, dass just in diesem Moment eines der Fenster barst und Bodi von dem Schwung und der Wucht Hochis in den Raum hinter die Scheibe gepresst wurde.

 

Der Photograf, der gerade einen Weihnachtsbaum für die Plakatkampagne der Werbegemeinschaft ablichtete, drückte auf den Auslöser und bannte Bodi zusammen mit der Tanne, den ängstlich flackernden Kerzen und der im Halbdunkel liegenden goldenen Skiline im Hintergrund auf das Zelluloid.

 

Der Knipser wurde im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht berühmt. Die Photografie ging Dank Reuter mehrmals um die ganze Welt. Schmückte unzählige Schaufenster und Titelbilder.

Zwar konnte man es auf dem Bild nicht zweifelsfrei erkennen - es blieb nebulös, ob nun Boden- oder Hochnebel dort mit abgelichtet war, doch waren es beide zufrieden. Sie konnten allen erzählen, dass sie den größten Anteil an diesem Bild beigesteuert hatten.

Seither kennt jedes Kind den Adventnebel.