Entzauberte Märchen Nr.12 Schneewittchen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schneewittchen

Eines trüben Morgens in der Katschurei im Tal der goldenen Hundepeitsche ging Schneewittchen schleppend der Latrine entgegen, um den übervollen und stinkenden Pisspott der Zwerge möglichst unfallfrei zu leeren. Sie fluchte aufs Gotterbärmlichste, als sie sich den großen Zeh an einem Stein stieß und drei blutrote Tropfen färbten den Schnee an dieser Stelle blutrot.

"Können diese Schw...ihre... nicht selbst..." der tatsächliche Wortlaut der Äußerungen der jungen Frau kann hier mangels passender hässlicher Schriftzeichen und der Gefahr des Selbstentzündens der Schreibunterlage nicht wiedergegeben werden. Der Leser möge dies entschuldigen.

Auf alle Fälle hatte Schneewittchen bei dieser Tätigkeit die Nase wortwörtlich gestrichen voll. Ihr Name, der ihr wegen ihrer vornehmen Blässe und den glutroten Lippen bei ihrer Ankunft von der Chefgeisha gegeben wurde, hing ihr mittlerweile auch zum Halse heraus.

Alles dies erduldete sie nur, da sie glaubte, ihrem Vater mehr als Gehorsam schuldig zu sein. Schließlich war sie seit dem Tode ihrer Mutter sein einziger Trost, seine Kirschblüte, wie er sie in Momenten der Rührung zärtlich nannte. Doch diese Momente waren rar. Je länger der Tod  zurück lag, desto rarer wurden sie. Als Aufsichtsratsvorsitzender einer großen Automobilfirma mit Filialen in der ganzen Welt war ihr Vater von früh bis spät mit wichtigsten Entscheidungen belastet und konnte seiner Tochter und ihrer Erziehung leider nicht die gebotene Aufmerksamkeit schenken. So beschied er, dass seine geliebte Kirschblüte in der renommiertesten Schule für Geishas zur sittsam gehüteten Frucht heranreifen sollte.

 

So weit so schlecht.

 

Obwohl.

 

Auch wenn die Obergeisha auf die schöne Novizin eifersüchtig war und sie nur die niedrigsten Arbeiten verrichten ließ, hatte dies etwas Gutes. Denn sie wurde trotz der häufiger werdenen Anfragen der männlichen Gäste des Hauses, die Schneewittchen wegen ihrer kleingeistigen Triebhaftigkeit "ihre Zwerge" nannte, nicht zu deren Bedürfnisbefriedigung herangezogen.

 

Sogar einen Keuschheitsgürtel hatte "Scharfblättrige Gladiole" ihr zeitweise angelegt, da sie Angst hatte, das Mädchen könne, erst einmal auf den Geschmack gekommen, es in den Künsten der Lust so weit bringen, dass sie ihr alsbald schon den Rang ablaufen könne. Zumindest machte ihr der Riesige Spiegel in ihrem bade dies glauben und befürchten.

 

Denn der ungnädige Spiegel zeigte ihr seit dem Eintreffen der gerade erblühenden Jungfrau immer deutlicher den Tribut, den ihre 45 Lenze Tag für Tag mehr einforderten. Zu ihrer Rechtfertigung sagte sie sich und den Zwergen, dass sie die Pflichten, die einer Geisha in ihrem Hause obliegten, der unbefleckten Jugend des Mädchens noch nicht zumuten könne. Dafür sei Schneewittchen auch viel zu weichherzig und wohlerzogen. Domina sei einfach nicht das, was diesem Mädchen entsprach- Zumindest der Priesterzwerg stimmte ihr in diesem Punkte voll zu und erbot sich dem blutjungen Ding bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Der Polizeipräsidentenzwerg sowie der Richterzwerg fanden, dass es allmählich an der Zeit wäre, der Knospe die Fertigkeiten zu vermitteln, die sie sicher rasch zur vollen Blüte heranwachsen ließen.Auch der Metzgerinnungsmeisterzwerg und der prominente Superstarzwerg bemerkten die Eifersucht der Älteren und rieten ihr, das Mädchen doch mit besonderer Freundlichkeit auszubilden, sie am Anfang zu schonen und nur als Assistentin hinzu zu ziehen, damit sie ihr in Herzlichkeit verbunden sei und ihr auf diese Weise niemals zur ernsthaften Konkurrentin heranwüchse. Die Obergeisha solle es sich nicht versagen die junge Frau zu den Sitzung mit ihnen mit zu bringen. Bürgermeisterzwerg und Autohauszwerg meinten, dass es nie zu früh sei, die Köstlichkeiten der Liebe zu kosten. Allerdings hätte Letzterer der Maid nie und nimmer beigewohnt oder sie einen der üblichen Dienste an sich verrichten lassen, denn ihr Vater war sein oberster Dienstherr und solchermaßen Vertraulichkeit mit dessen Tochter schickte sich nicht für einen Untergebenen.

 

So kam sie trotz dieser Umstände um die schlimmsten Erfahrungen herum. Auch der Glassarg, wie die Chefin das Zimmer mit der durchsichtigen, nach unten verspiegelten Decke nannte, blieb ihr erspart. Zumindest von innen unten. Denn sie musste die aufs widerlichst verschmutzte Bodenfläche des Raumes darüber jeden Morgen zusammen mit Prinz Sidolin schrubben und polieren, bis auch der letzte Streifen verschwunden war und die Scheibe wie ihre Augen beim Anblick des jungen Mannes glänzten. Sido Linux Sennheiser war wie Schneewittchen von seinem Vater hierher in die Le(e)hre geschickt worden. Als Sohn von steinreichen Eltern hatte er seit seiner Geburt nie etwas selbst tun müssen. Lakaien und Geishas hatten ihm jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. So war es kein Wunder , dass er zur Sorge seiner Eltern keinerlei Anstalten unternahm, auf die Bequemlichkeit des elterlichen Palastes zu verzichten und auch nur einen Zeh in die kalte und grausame Welt da draußen zu setzen, als es Zeit wurde, sich um die eigene Zukunft zu kümmern.

 

Wie auch immer - jetzt war er jeden Morgen glücklich, die eingetrockneten Überreste der lüsternen Zwerge zu entfernen, wenn er nur seiner Kirschblüte nahe sein durfte.

Dass die Beiden nach kürzester Zeit eine Möglichkeit gefunden hatten, ihre Zusammenarbeit nach der Fron im gläsernen Geishatempel auf angenehm weicherem Untergrund fortzusetzen, wird den verständigen Leser nicht erstaunen.

 

Da beide zwar jung doch wissbegierig, aufmerksame Schüler und Beobachter waren, ergab es sich, dass sie die Kunst der Liebe aufs Sorgsamste und Häufigste miteinander übten und ihre Fähigkeiten alsbald zu wahrlich göttlicher Meisterschaft entwickelten. Zumindest fühlte es sich für sie immer wieder aufs Neue so an. Mehr wollten sie auch nicht. Außerdem mussten sie danach keine Unmengen von gefüllten Gummihüllen aufsammeln, sondern konnten erschöpft und glücklich aneinander geschmiegt einschlafen.

 

Ob sie irgendwann geheiratet, Kinder gezeugt und großgezogen, sie wie ihre Eltern zu Fremden in die Le(e)hre geschickt haben, ist dem Verfasser nicht bekannt. Allerdings neigt er zu der freudigeren Vorstellung, dass das glückliche Paar ihren Erziehungspflichten etwas früher denn ihre Eltern und dasselbst nachgekommen sind.

 

 

 

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