Sodogenifiziert

Trotzig schüttelt Mila ihre rote Federmähne und kickt gegen den Türsturz. "Was hat sich dieser räudige Hundesohn von Loup nur dabei gedacht?"

Seit zweihundert Jahren war die Sodogenisierung nun schon verboten. Alle Exemplare der damaligen Retortenschlacht, wie die Historiker diese weitere unrühmliche Zeit der Erdlinge nennen, waren längst gestorben. Nur der ein oder andere alterungsresistente Nachkomme eines Sodomischlings belebte noch das Stadtbild. Allerdings fallen diese nicht auf, da besonders langweilige Menschen durch die chirurgischen Fortschritte ermuntert, heute vermehrt tierisch exotische Attribute zeigen. Doch eines ist schon lange klar: Sodomischlinge und ihre Nachkommen genießen seit dieser Zeit so etwas wie Artenschutz und es ist verboten, sie auf irgendeine Bühne oder gar in eine Manege zu zerren. Es schien Mila bisher zumindest so, als könne sich der Homo Sapiens ethisch weiterentwickeln. 

Der blitzeblau Uniformierte mit den bunten Kordeln und der Schildmütze im Stil eines Fregattenkapitäns, der ihr seinen Dienstausweis und den Stellungsbefehl unter die Nase hält, zeugt vom Gegenteil. 

Und wirkt ungeduldig. Ein hochglänzend polierter Stiefel wippt auffällig arythmisch auf den altersmorschen Dielen und zwingt Milas Blick immer wieder nach unten. Das kann sie gar nicht leiden. Es fühlt sich an wie eine Unterwürfigkeitsgeste - obwohl sie weiß, dass dies in der Regel nur für Vierbeiner gilt. Ein Krächzen dringt durch ihre Kehle, doch sie schafft es gerade noch, ihren Schnabel geschlossen zu halten.

"Verehrteste Frau En - ich nehme zur Kenntnis, dass ihnen womöglich der Zeitpunkt gerade ungelegen kommt, doch dieses Dokument", und damit hält er ihr den Stellungsbefehl unter den Schnabel," dieses Dokument ermächtig mich, sie notfalls auch gegen ihren Willen ..."

"Einen Moment! Ich muß noch packen." Wumms - die massive ebenholzfarbene Woodplast-Tür schlägt zu und stoppt fünf Zentimeter vor dem Gesicht des geschniegelten Arschlochs. Sicher haben die Stiefelspitzen jetzt eine Delle. Geschieht dem blöden Aufdringling gerade Recht!

In die Arktis hat er eben gesagt. Aufklärungsflüge über chinorussisches Gebiet fliegen soll sie! So eine gequirrlte Scheiße aber auch! Warum hatte sie beim letzten Date mit Loup auch nur so einen Mist zusammen gelabert? In seiner, nach herbem erregten Mann duftenden Achselhöhle war sie gelegen, hatte ihren Federschopf ganz fest rangekuschelt. Dass sie ihn wenigsten so noch ein paar Tage riechen kann. Hatte sich wie jeden Monat, wenn er Heimaturlaub hatte, gebenedeit unter den Sodos gefühlt. Raubvogel und Wolf - das gibt es selten. Stolz macht es sie! Schade nur, dass sie keine Jungen haben dürfen. Auch das verboten die ungerechten Gesetze der Reinrassigen.

Mila schüttelt sich. 

Warum hatte sie nur zugestimmt, dass es schön wäre, wenn sie mit ihm mitkommen und sie Tag für Tag, Nacht für Nacht gemeinsam durch die Tundra streifen könnten. Dass er es einrichten könne, dass sie schon bald nicht mehr getrennt wären, hatte sie geflissentlich überhört. Sie dachte wohl, dass er von ihrer Abneigung gegen das Militär wusste, und dass sie sich geschickt mit Hilfe eines befreundeten Programmierers aus deren Listen hatte löschen lassen. Wenn es nach ihr ginge, gehörten Waffen allesamt auf den Müll. Sie treffen sowieso immer nur die kleinen Leute.

Das hat sie nun davon, dass sie so gutgläubig und romantisch veranlagt ist. Und immer noch überzeugt, dass das Gute am Ende obsiegt. 

"Mit Dir gehe ich überall hin, wenn es sein muß!"

Volltreffer! Doofe Pute! Scheiß Spiel!

Mittlerweile regt sich die Türklingel fürchterlich auf. Fast wie eine noch lebende Maus zwischen den Krallen. Die Halteschraube in der Mitte der

Glocke

dreht sich immer weiter auf und ein hässliches Scheppern, das wie keckernde Elstern klingt mischt sich bedrohlich mit den immer lauter werdenden Schlägen von der anderen Seite des Türblattes.

"Frau En - öffnen sie die Türe, sonst ....!" Der Typ klingt heiser. 

Mila zieht die Schnüre des Rucksacks zusammen und beherrscht sich, den Knoten nur so zuzuziehen, dass sie ihn später noch öffnen kann.

"Ich komme ja schon, du ...!"