Negligee und Sehnsucht
Gösse mir ein zartes Wesen in Negligee etwas Feenstaub übers - ach was - in Hirn, Herz und Schwanz, könnte ich vielleicht den elenden inneren Burgfrieden endlich
überwinden. So jedenfalls, dauernd zwischen himmelhochjauchzend und Grauen ist es mehr als ungemütlich und das Leben nimmt immer wieder groteske Züge an. Es gelingt mir zwar immer öfter, die
Stille hinter der Welt zu hören, doch fühle ich mich auch dort immer noch eher wie ein klitzekeines Treibholz im riesigen stürmischen Ozean. Zwar nicht dem Untergang geweiht, doch meilenweit
entfernt von einem selbstbestimmten Wesen, das sich auf seinem Weg selbst dirigieren kann.
Schaffe ich es, Boden unter den Füßen zu spüren, die Illusion zu nähren, dass ich kurz das Ruder übernehmen kann, so ist es höchstens ein Haikutter, eine Nussschale, auf dessen morschen Planken
ich durch sturmgepeitschte Wellen ohne Sicht auf den Horizont oder gar ein rettendes Ufer tanze.
Doch zum Glück tanze ich!
So verwandelt sich mitten im Sturm manchmal sogar das Treibholz in einen Delfin und ich springe frech und übermütig über all die Haiflossen, die mein morsches Boot umkreisen. Mir ist dann, als ob
kein Feenstaub, kein Negligee mehr nötig seien. Mich begleiten alle Meerjungfrauen gleichzeitig und die Haie verwandeln sich in leuchtende Quallen, fliegende Fische und elegant dahinschwebende
Rochen. Die Sonne blitz und blinkt bis in tiefste Tiefen, Möven erscheinen und alle Ufer rücken in greifbare Nähe.
In diesen Momenten liebe ich sogar das Treibholz, die Wellen und die schwarze drohende Tiefe. Deshalb übe ich tapfer weiter, die Stille hinter den Dingen zu hören. Denn in genau dieser
verwunschenen Ecke des Bewusstseins wartet mein Tanzbein auf den Rhythmus des Lebens, spürt das Herz den Bass. So kann ich mitschwingen und den lebendigen Frieden ahnen, zu dem ich schon so lange
unterwegs bin. Voller Staunen und Dankbarkeit!