Kalter Holunder
Keine Sargnägel mehr schmieden. Nivea in Foveas lüsterne Blickkontakte schmieren. Die Einspritzdüse trockengefrieren und bedeckt halten, bis
die Versuchung verschwindet.
Alles! Nur nicht wieder schwach werden.
So oft schon hatte er seiner Intuition nicht getraut. Sie zur Schlimmtuiton verkommen lassen. Der vermaledeiten Sehnsucht, der
gottverdammten Geilheit oder einfach, um für ein paar aufregende Momente der inneren Leere zu entkommen.
Und nun?
Warum um Himmels willen hatte ausgerechnet Sie wieder in seiner Bar auftauchen müssen.
Sie, deren ausziehender Duft sich so gekonnt mit dem abweisenden Blick und der ambivalenten Körperhaltung vermählt. Schon einmal war er in
ihren Armen fast erfroren. Nach der heißesten Nacht, die er in seinem eigentlich gar nicht keuschen Leben in ihrer unnachgiebigen Beinpresse überlebt hatte. Kein Saft war zuvor köstlicher
gewesen. Kein Stöhnen melodischer.
Dass er dabei fast zu Tode geritten wurde, hatte den Reiz nur noch erhöht.
Im Auslauf der rhytmisch zuckenden Ewigkeit war er zum Jünger geworden. Er wäre jedem Flug ihrer ach so zarten Schmetterlingsflügel, selbst
dem direkten Weg in die Hölle ohne Zögern gefolgt.
Verliebt wäre als Wort viel zu schwach. Er war ihr verfallen.
Kurz bevor ihr leises Schnaufen den tiefen Fall in die Welt der Träume ankündigte, hatte sie es noch geschafft, ihn eiskalt
abzuservieren.
"Mach die Türe bitte leise hinter Dir zu. Ruf mich nicht an. Niemals! Hörst Du ..."
Er hat diese Worte nie vergessen, genauso wenig wie den wilden Liebestanz davor. Der Schock hat ihn eingefroren. Die Nacht. Diesen
Augenblick. Sein Leben danach.
Er hat nie darüber nachgedacht. Und wenn ein Lächeln, ein Lippenschwung, ein dunkles Versprechen unter einem scheinbar versehentlich
hochgerutschten Stück Stoff ihn daran erinnerte, half ein weiteres Glas Whiskey, des Teufels Fratze zu vertreiben.
Drei Minuten ist es her. Sie kam herein, zusammen mit einem Schwall grausam kalter Winterluft und stellte sich direkt neben ihn. Ein kurzes
Lächeln, eine kleine Berührung am Arm. Sonst Nichts.
Seither tanzen die Gefühle Rumba in mir. Ich weiß nicht, ob meinem Gesicht etwas anzumerken ist, hoffentlich nicht. Was will Sie? Warum
kommt Sie gerade jetzt, wo ich langsam wieder beginne aufzugehen, wieder in mein Leben geschwirrt? Überfallartig wie eine Wüstenheuschrecke.
Wo will sie noch etwas aussaugen, wo sie mich doch das letzte Mal schon bis auf den letzten Tropfen süßesten Holunderblütensirup
ausgewrungen hat? Mich zurückgelassen in der Wüste und einfach weitergeflogen, als wäre nie etwas passiert?
Hilft mir niemand? Kann denn kein Gott intervenieren? Ich versuche verzweifelt, mit der Theke zu verschmelzen, in ihr
aufzugehen, mich vom stumpfen, abgegriffenen Mahagoni so vereinnahmen zu lassen, dass für Sie kein Platz mehr in meinem dann erholsam holzigen Dasein ist.
Vergebens. Ich kann den Blick nicht von ihr wenden. Muss mit ihr reden. Verdammt!
Wenn sie mich doch nur einmal anschauen würde!