Hart am Sandelförmchen

 

 

Sinnend sitzt Olaf, der Windbeutel unter den Autoren der Kurzgeschichtengruppe in der Alten Bank in Karlsruhe vor seiner Tastatur und überlegt, wie er ein weiteres Husarenstück schreiben und seine Leser hinter die Gitterstäbe von Spannung, Fluchtreflex und Faszination bannen wird. Gelänge es ihm, mit der von Gourmets durchdrungenen Gruppe hart am Ekel entlang zu segeln und sie durch das Entrüstungsriff mit seinen Brechern sicher zurück in den Hafen des guten Geschmacks zu steuern, dürfte er sich mit bestem Gewissen das Prädikat Satansbraten verpassen und damit die paar Quadratzentimeter Polster, auf denen er gerade sitzt nachdrücklich zum Kraftort küren.
Dazu muss er natürlich das geeignetste Wort finden, um das Gaumensegel in die richtige Richtung zu hissen, die nötigen Verknüpfungen zu den anderen Begriffen knoten, um dann gegen den Wind das heutige Bojenwort für das Wendemanöver anzusteuern.

Okay. Finger verschränkt - knacken lassen und Schluß mit Herumlungern. Raus aus dem Hafen der Gemütlichkeit, rein ins Mehr der Zweideutigkeiten, der Schäume und Triggerhaie.
Starten und den Anker ( nicht den Schwanz) einziehen muss ich mit etwas Wüstem.Wüst ist schonmal gut.

Wüste.

Nehmen wir die Küste der Westsahara und lassen Sandrosen und Fennek hinter uns. Egal ob wir mit dem Deuxcheveaux- oder dem einhöckrigen Mehari vom Flugplatz Dakhla angereist sind.

Start der Seereise ist: نتيرفت (N´Tireft).
Unser Ziel: Fuerte Ventura

Sobald du, mein Leser dich mit den Resten deines Schulfranzösisch zum Strand durchgefragt hast und gerade mit schlotternden Knien zu dem Schnauzbart mit Turban im wartenden blauen Fischerboot aus Holz gestiegen bist, fängt das richtige Abenteuer an.
Nicht, dass dir die nassen Schuhe und Hosen etwas ausmachen, die Du dir gerade geholt hast; auch der durchdringende Fischgeruch aus dem Netz am Boden der Nusschale dringt nur schwach zu dir durch. Es ist etwas anderes, das dir Sorgen bereitet.
Die Wellen.
Die Wellen, auf denen der ein oder andere in der Sonne glänzende Surferkörper zu schweben scheint und deren Schaumkronen nun um die schwankende Nussschale wirbeln, der Du dich gerade anvertraut hast. Irgendwie schaffen es die vor dir im Boot sitzenden grinsenden Goldzähne unter dem Schnurrbart und dem blauen Turban nicht, dir das nötige Grundvertrauen einzuflößen, das Du jetzt gern hättest. Die Knöchel deiner Hände, die sich krampfhaft am Sitzbrett festhalten, treten fast schon so weiß hervor wie das deiner vor Angst weit aufgerissenen Augen. Doch all das bemerkst Du nicht, da das Boot und Du ganz ohne Eintrittskarte all die Achterbahnen abfährt, die Du im Europapark bisher erfolgreich umgangen hast. Dein dir bewusstester Körperteil ist nun nicht etwa dein rasendes Herz, sondern dein am Morgen mit Kaffee und Keksen notdürftig gefüllter Magen. Es ist, als ob er wie damals von einem grausamen älteren Nachbarsjungen immer stärker und stärker auf der Schaukel angeschubst wird und sich nicht entscheiden kann, ob und in welche Richtung er sich entleeren soll. Heute fiele es zumindest nicht auf, wenn Du wie damals deiner Angst nach unten nachgeben würdest. Vorne natürlich. Wir wollen es ja nicht übertreiben!

Jetzt, als es ruhiger wird, sich die ungestümen Wellenberge wieder in erstaunlich flache und friedliche Hügel und Täler verwandelt haben, spürst Du kaum den Druck an deiner Brust, mit der Du dich beim Übergeben am Rand des Bootes abstützt. Als nichts mehr kommt und dein rebellierender Magen sich einigermaßen beruhigt hat, spuckst Du die restlichen bröckeligen, widerlich sauren Reste deines Frühstücks aus und fragst Dich, ob wohl der Turbanträger deshalb so gegrinst hat, weil er den jämmerlichen Zustand des doch sonst so überlegenen Weißen vorhergesehen hat und ob er das Schauspiel innigst genießt. Kurz zögerst Du deshalb, dich wieder aufzurichten und seinen Triumph zu sehen. Schließlich wagst Du es und atmest auf.

Er beachtet dich gar nicht, rudert mit kräftigen Zügen neben den Trawler, der dich gleich aufnehmen wird und wechselt mit dem schwarzen Matrosen an der Reling ein paar Worte. Es sind Klänge, die dich an das Krächzen der Krähen bei Dir zuhause erinnern. Es wirkt seltsam unpassend und dir fällt ein, dass die Temperatur dafür nicht stimmt. Kurz darauf wirft dein Begleiter dem Matrosen ein Seil zu und hilft Dir, aufzustehen. Als er beim nahe kommt, um sich zu verabschieden und Dir hoch zu helfen, siehst Du hinter seinem Ohr eine prallgefüllte Eiterbeule, die dich an Onkel Jakobs Fistel erinnert.

Zum Glück bist Du so vom Neuen und Aufregenden, das dich umgibt, abgelenkt, dass dir die Situation von damals gar nicht richtig in den Sinn kommt.

Gut so, denn an den gelben Strahl, den dein Onkel dir damals auf deine geliebten Pommes rotweiß gespritzt hat, willst Du sicherlich nicht so gerne erinnert werden. Und daran, dass er die Pommes mit dem nun stinkenden Rotgelbweiß schnell durcheinander gerührt hat und gesagt, dass Du dich nicht so haben sollst. Auf diese Gänsehaut und den damit verbundenen aufsteigenden Kloß im Hals kannst Du jetzt gut verzichten.
Denn dass der Matrose sich als Smutje des Trawlers zu erkennen gibt und dich grinsend nach deinen Wünschen fürs Abendessen fragt, kommt Dir für den Moment mehr als unpassend vor.

Doch Du hast Glück!

Da die See für diese Jahreszeit erstaunlich ruhig bleibt, verläuft deine restliche Überfahrt erfreulich unspektakulär. Selbst der am Abend vom Smutje kredenzte Fisch mundet dir hervorragend und die im Meer versinkende glutrote Sonne weckt sogar romantische Gefühle.

Die Sehnsucht lenkt die Gedanken zu deinem Schatz, den strahlenden Augen, der samtenen rosigen Haut und dem zarten Duft nach Orange und Patchouli, der dich in Teneriffa erwartet und du spürst schon die Vorfreude zwischen den Schenkeln. Zum Glück ist der Matrose wieder in der Kombüse. Sein wissender Blick käme dir gerade weniger gelegen.
Mövenschreie lenken deinen Blick nach oben. Sehr gut. Die Küste ist nah. Spätestens morgen früh stehst Du wieder auf festem Boden. Du hast das Abenteuer überlebt, einen lang gehegten Traum Wirklichkeit werden lassen.

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