Eigentlich war mein Plan, von Bari aus mit der Fähre nach Kreta überzusetzen, doch der Zahn wurde mir schnell gezogen. Zuerst über Nacht nach Patras, dann über Land mit dem Zug den Tag über Richtung Athen und von dort aus wieder über Nacht nach Kreta. Zwei Nächte auf der Fähre mit wenig Schlaf und ein Tag im Zug mit wenig und unbequemem Schlaf! Um mich selbst vor vollendete Tatsachen zu stellen, buchte ich in Falcone die Überfahrt aus Bari. Irgendwie überlebe ich das, und kann mich ja dann in Kreta bei meinen Freunden wieder erholen.
Dann suchte ich nach Möglichkeiten gut zu meinem Freund in Rumänien in der Nähe von Arad zu kommen. Der Zug von Athen nach der Überfahrt von Kreta endet in Thessaloniki. Von dort wird es so kompliziert, es fahren zwar Busse, doch mit denen landet man irgendwo in Bulgarien mitten in der Nacht und es war mir nicht möglich herauszufinden, ob dort dann auch der Bahnhof an Ort und Stelle ist. Also wieder ziemlich miese Schafbedingungen und recht hohe Unsicherheiten, wie zuverlässig ich weiterführende Busse oder Züge bekomme. Ich konnte mich nun mit dem Bauchweh herumschlagen, den angekündigten und versprochenen Besuch abzusagen oder das mich dann doch etwas überfordernde Wagnis der Weiterreise Richtung Osten einzugehen. Am nächsten Morgen entschied ich mich für den Rückzug, pfiff auf die verlorenen 54 € der stornierten Fähre und plante ab Taranto um über Ancona nach dem Ziel, über das ich in diesem Artikel berichte.
Die Entscheidung war goldrichtig, denn im Verlauf des letzten Tages in Falcone hatte ich wieder eine kurzen Long Covid Schub. Der hätte sich sicher nicht wieder innerhalb zwei Tagen beruhigt, hätte ich mich den Strapazen der Überfahrten nach Kreta ausgesetzt.
So kommt es, dass ich als nächsten Ankerpunkt diesen wunderschönen See in der Mitte Italiens kennenlernen durfte, von dem ich jetzt berichte.

Die Zugfahrt von Ancona nach Passignano an den schönen See etwa 100 km südlich von Florenz war eine willkommene entspannte Abwechslung auf meiner Interrail-Tour. Keine Reservierung nötig, zwei Regionalzüge, die mich aufeinander abgestimmt mitten ins umbrische Herz Italiens brachten.
Der See Trasimeno ist so groß, dass er zwei bewohnte Inseln hat, die von Fähren der italienischen Eisenbahngesellschaft mit den Städten rund um den See verbunden sind. Mein Hafen war im Norden: Passignano sul Trasimeno.
Da ich des Reisens und Sightseeings müde war, habe ich die ersten Tage nach dem Einchecken im Hotel nur im frischen Wind am Seeufer verbracht, habe gelesen, Espresso getrunken und den lieben Reisegott einen guten Mann sein lassen. Obwohl ich auf der Heimfahrt eigentlich den Berninazug durch die Schweiz über Tirano nach Zug nehmen wollte, schon alle Züge und potenzielle Unterkünfte nahe dem Bahnhof in Tirano erkundet hatte, war mir schnell klar, dass ich das besser auf ein anderes Mal verschiebe. So buchte ich kurzentschlossen den Regionalzug nach Florenz und von dort die Schnellzüge bis Basel SBB. Bis Basel Badischer Bahnhof traute ich mich nicht, denn man darf mit der Interrailkarte nur einmal aus dem Heimatland hinaus und einmal wieder hineinfahren. Wie weit die Verbindung dann ist, ist egal. Da ich fast noch einen Monat Gültigkeit habe, wollte ich diese nicht mit der kurzen Strecke zwischen zwei Bahnhöfen in einer Grenzstadt verplempern. Die etwas abstruse Geschichte zu dem dazugehörigen Transfer hänge ich aber ans Ende.
Zuerst kommen die Eindrücke und Genüsse an dem Ort, der mich die nächsten fünf Tage beherbergte.
Wie schon in der Anzeige auf Airbnb beschrieben, lag das Hotel nur etwa zehn Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt. Gerade in den nun gestiegenen Temperaturen kam mir das sehr entgegen. Der Empfang im Hotel war äußerst liebenswürdig, das Lächeln der Besitzerin erhellte (nicht nur) mir bei jeder folgenden Begegnung in der Eingangshalle und dem Restaurant den Tag. Zum Glück ist es die Art Licht und Wärme, die nicht noch ein paar Grad Temperatur hinzufügt und einsame, allein reisende ältere Männer wie mich noch mehr ins Schwitzen bringt! Wobei .... Ich glaube, dass dies ihr Mann nicht so sieht, denn er war vom Ausdruck das passende Gegenstück und eher sparsam, mit hochgezogenen Mundwinkeln. Und wenn, dann wirkten sie immer etwas gequält.
Das änderte sich langsam, aber stetig im Laufe der Woche, da ich mir auf diesem vorerst letzten Abschnitt der Reise jeden Abend das Essen im vorzüglichen Ristaurante gönnte. Anfangs hatte ich das nur am ersten Abend vor, doch dann saß am Nachbartisch ein netter Belgier, mit dem ich ins Gespräch kam. Danach war es ohne Worte klar, dass wir uns zum Abendessen am gleichen Tisch trafen und unsere Tages-, bzw. Reiseerfahrungen austauschen. Oder über unseren Umgang mit der Klimaanlage im Zimmer und den stetig nachrutschenden, tagsüber vollständig geschlossenen Fensterläden. Lustig war, dass ich meine Kreditkarte jeden Abend beim Bezahlen des wechseln musste, weil mal die eine, dann die andere abgelehnt wurde. Das grundlose Ablehnen einer Karte ist übrigens ein Phänomen, das mich in Italien überall begleitet hat. Dank denen, die im Vorfeld der Reise zu einer Zweitkarte eines anderen Anbieters raten!
Nachdem ich zwei Tage tagsüber nur mehrfach zwischen Hotel und Strandbar am beschattetem Seeufer gewechselt und ein im Hotelregal gefundenes Buch ausgelesen hatte, kaufte ich mir am dritten Tag ein Ticket für die 20-minütige Überfahrt nach Maggiore. Was anderswo der See ist, ist hier die Insel. Und auch wunderschön! Am Steg angekommen, flüchtete ich schnell bei den Häusern nach links, weil die Massen nach rechts strömten und fand dort die leider verschlossene Kirche und den nach oben immer leicht ansteigenden Weg durch Olivenhaine mit uralten, urigen Baumgstalten auf die Spitze der Insel, wo der Friedhof und eine noch ältere kleine Kirche steht. Bedauerlicherweise war die Strecke auf der anderen Seite der Insel kürzer, sodass der Lärm kurz vor mir ankam und die erspähte Bank im Schatten vor der Kirche besetzt war, als ich ankam. Da die Kirche auch geschlossen war, es dort aber wenig sonst spektakuläres gab, war ich bald wieder allein und saß vespernd und zufrieden mit der Welt im Schatten eines Baumes neben der Kirche. Dort war ein kleiner Nebeneingang, durch den man eine Stunde später mit einem Eintrittsgeld von 5 € hineinkam. Der Preis, der übrigens für die Restaurierung der vielen uralten Fresken darin verwendet wird, bei der ich recht lange zuschaute. Erstens war es faszinierend, mit welcher Engelsgeduld die Restaurateurin jeden kleinsten Riss vorsichtig zuspachtelte und zweitens war es innen soooo schön kühl, dass man gar nicht mehr hinauswollte.
https://maps.app.goo.gl/QzbNGFJaYo8GL1hCA
Irgendwann als dann eine größere Gruppe kam und ich den englischen, aber für mich in der Geschwindigkeit vorgetragenen, weitgehend unverständlichen Vortrag das zweite Mal hörte, habe ich mich aufgerafft und bin durch dichte Johanniskraut-Felder wieder zurück ins Dorf am Ufer. Dort fand ich eine Bar, die von außen als Tabaccio verkleidet, hinten heraus schattige Tische bis fast ans Wasser hatte. Beim Schreiben des Reiseblogs zu Paola musste ich dort auch keinerlei Angst haben, das Boot zu verpassen, denn da alle Gäste wieder zurück an Land wollen, mustte ich einfach der einsetzenden Lemming-Stampede folgen.
Der sympathische Vater aus Rottweil, der mir auf der Rückfahrt gegenübersaß, berichtete wie mein Belgier von noch vielen lohnenswerten Orten rund um den See. Eine davon, allerdings weniger interessant für seine Kinder, ist das etwa 30 km entfernte Assisi. Es hätte mich zwar schon interessiert, da aber beide, der Rottweiler wie der Belgier von massenweise Touristen berichteten, verzichtete ich weise auf diesen Teil der Reise.
Die folgenden Bilder geben einen Eindruck vom Charme der Insel!
Die Fahrten und relativ kurzen Umstiegszeiten in Florenz und Milano klappten gerade so, aber ich fand überall früh genug das richtige Gleis und meine Waggons waren recht nah am Anfang des Zuges.
Geärgert habe ich mich (nicht zum ersten Mal!) über das im Zug versprochene starke WLAN, das faktisch aber nur leere Seiten lud. Und über mich, dass ich vergessen hatte, das Roaming auszustellen. Obwohl ich gar nicht surfen wollte, zogen Maps und wohl alle noch vorhandenen Apps der europäischen Zuggesellschaften bis Zürich Daten für 47 €. Als dann die Fahrkarte in Basel von einem Bahnhof zum andern auch 4,70 € kostete, der Bus mitten in der Stadt mit Motorschaden stehen blieb und wir alle in der Hitze 20 Minuten warten durften, bis der reguläre nächste Bus uns aufnahm, war ich sicher, nie mehr Urlaub in der Schweiz zu machen! Dass ich den Regionalzug nach Freiburg gerade noch so rennend erreichte, war Glück. Nur konnte ich dank NULL Netz auf fast der ganzen Strecke zwischen Basel und Freiburg meinen Sohn (er holte mich dort am Bahnhof ab) nicht informieren, dass wir irgendwo im Nirgendwo eine halbe Stunde wegen einer defekten Weiche stehen. Zum Glück war es gleichzeitig eine Tiefkühltruhe. Ohne Jacke hätte ich mir sicher eine Lungenentzündung geholt.
Willkommen zurück in Deutschland!
Es ist allerdings nur eine weitere Zwischenstation auf meinem Interrail-Trip.
Zum Zeitpunkt, als ich dies schreibe, habe ich gerade die Bestätigung erhalten, dass ich am Sonntagnachmittag in Paris in ein nettes Zimmer einchecken darf! Irgendwie lässt mich das Reisefieber doch noch nicht los! ich bin gespannt, was für schöne Eindrücke mich in Paris erwarten, die ich an euch weitergeben kann!
Kommentar schreiben