Geschmeidig lässt sich das Krokodil ins Wasser gleiten.
Stürmisch war gestern. Gestern war seine Seele noch in einem Stier gesteckt, der sein Gras so lange voll Urvertrauen auf einer grünen Wiese genoss, bis er eines Tages in der Arena stand und bemerken musste, dass Menschen durchaus keine wohlwollenden Partner sind, sondern johlende Bestien, gut geschützt hinter Holzpalisaden. Stürmisch war er auch nur ganz zu Anfang, als das rote Tuch noch unschuldig vor seiner Nase herumwedelte und ihn zum Spiel aufforderte. Dass dahinter fiese Spieße warteten und am Schluss eine Schwertspitze seinem ungestümen Herzschlag einen plötzlichen Stopp setzen würde, hatte er nicht geahnt. Soviel zu Partnerschaft.
Heute ist er also ein Krokodil. Komisch fühlt es sich schon an. So schuppig und lang. Besonders das Maul. Zähne bis zum Abwinken. Mit Vögeln, die mit einem fast nicht zu glaubenden Urvertrauen zwischen seinen neuen Waffen herumspazierten, als ob er kein Raubtier mit Fleischgelüsten sei. Also gut, es sind schon ziemlich kleine Fleischhappen. Für die lohnt sich der Aufwand, das Maul zu schließen, nicht wirklich. Außerdem picken die winzigen Dinger ihm den Dreck von den Zähnen.
Solche Heinzelvögelchen hätte er damals als Mensch auch gut gebrauchen können. Damals - wie lange das schon her war! Da war er ein besonders ungezogenes Kind gewesen, das die Zahnbürsten seiner großen Schwester zum Kloputzen verwendet hatte. Zumindest bis die Mutter es bemerkt und ihm aber dermaßen den Hintern versohlt hatte, dass er sich wochenlang nicht im geringsten geschmeidig bewegen konnte.
Das Krokodil grinst. Hosenboden versohlen und Anstand im Umgang mit Mitgeschöpfen sind nun wohl obsolet. Den ollen Teppichklopfer würde er unter seinen Schuppen kein Bisschen spüren. Auch die strafende Hand des Vaters oder die Pikser des Toreros sind Vergangenheit.
Jetzt gilt es sich auf die brüllenden Fleischberge zu beziehen, die da gerade panisch in schier unendlichen Massen durchs Wasser hasten. Wäre er kein Krokodil, würde er sich sogar tierisch freuen, dass er seine neuen scharfen Zahnreihen in das zähe Fleisch eines Altbullen schlägt und sich dabei vorstellt, es wäre der Arsch vom Stier, der ihn damals als Kalb die ganze Zeit mit seinen fiesen Hörnern über die Weide gejagt hatte. Aber Rache und Wut hat in seinem neuen Gehirn keinen Platz mehr.
Gut so.
Fressen langt!